Freitag, 27. November 2015
Relationsbegriffe
„Solidarität“ ist genau so ein Relationsbegriff wie „Gerechtigkeit“. Der Inhalt wird durch Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Meinungen definiert. Dahinter steht kein Naturgesetz.
Deutschlands solidarische „Nibelungentreue“ mit Österreich im Ersten Weltkrieg wird heftig kritisiert. Kanzler Schröders Weigerung solidarisch in George W. Bushs Irakkrieg einzutreten, wird gelobt. Die deutsche Regierung lehnte mit Westerwelle eine solidarische Unterstützung der Alliierten bei der Beseitigung von Muammar al- Gaddafi ab. Uneingeschränkte Solidarität mit Griechenland fällt einigen schwer, anderen nicht. Beklagt und eingefordert wird die mangelnde Solidarität östlicher EU-Staaten bei der Flüchtlingsaufnahme. Aber sowohl Polen als auch Tschechien haben Frankreichs Hilferuf um solidarische Unterstützung gegen den Terrorismus positiv beantwortet.
Also: Solidarität könnte zwar eine platonische unwandelbare Idee in der Welt des Geistes sein -, aber eben nicht in unserer Welt, in der es nur mehr oder weniger schlechte Abbilder gibt. Und „Solidarität“ zu leisten gegenüber Staaten und Institutionen, bei denen man verzapften Unsinn zu erkennen glaubt, fällt besonders schwer.

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Freitag, 30. Oktober 2015
Gabriel bei Putin, Merkel bei Erdogan
Gegenwärtig sind festgefügte Meinungen überall am Kippen. Gabriel schüttelt Putin freundlich die Hand, Merkel hofiert Erdogan, um ihre ungewollt aufgestellte Falle für Migranten zu entschärfen, die Meinung der Deutschen über Merkels Flüchtlingspolitik kippt immer schneller angesichts der herzzerreißenden und katastrophalen Zustände an den Grenzen. Man ist sich in Deutschland einig, dass aus Syrien die meisten Flüchtlinge kommen und dass Assad verschwinden muss, um den Zustrom zu verringern.
Ob Assad aber weiterhin Syrien regiert, sollen die Syrer selbst entscheiden und nicht Europa und die USA. Selbst wenn er schnellstens beseitigt würde, ist der Krieg in Syrien noch lange nicht beendet. Denn es gibt dort 300 (!) kleine bis mittlere verfeindete Milizen und den IS. Da scheint mir Putins Position bei allen eigenen Interessen realistisch zu sein, um Assad herum eine geringe Form von Staatlichkeit zu erhalten und nicht libysches Chaos zu schaffen. Der Vorwurf, durch sein militärisches Eingreifen würden noch mehr Flüchtlinge produziert, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Aber es ist doch nicht so, dass diese 300 (!) Milizen, die sich zu ihrem Schutz sogar in Krankenhäuser verbergen, und der IS keine Flüchtlinge hervorbringen.

PS Zu Beginn der „Arabellion“ sollen die USA und der CIA auch in Syrien versucht haben, einen „regime change“ herbeizuführen. Deshalb haben sie sog. „gemäßigte“ Rebellen, deren Vorstellung von Staatlichkeit bisher unbekannt sind, gegen Assad militärisch unterstützt. Da ist es nicht total unverständlich, dass sie diese weiterhin unterstützen und mit Putins Strategie kollidieren.

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